Die Lieder und Pfingstenkranzspiele

Wohl das Singspiel des Pfingstenkranzes

Für die Übersetzung ins Hochdeutsche klicken Sie auf das Lied.

Die Kleinen warten oft schon voller Vorfreude auf den Bauern, denn das Bauernlied „O Buer, wat kost‘ ju Hei?“ ist jedes Mal der Höhepunkt des Tages. Während Groß und Klein um den Kranz laufen, zieht der Bauer, verkleidet als münsterländischer Kiepenkerl, seine Runde in entgegengesetzter Richtung im Inneren des Kreises. Nach und nach wächst sein „Hausstand“: Erst kommen Frau und Blage (Kind) dazu, dann weitere Gegenstände aus dem Alltag.

Der besondere Spaß dabei: Für jeden neuen Gegenstand wählt der Bauer jemanden aus dem Kreis aus, der sich dann dem Bauern-Zug anschließt. So kam es schon vor, dass jemand als Piärd (Pferd), Paraplü (Regenschirm), Schuffkoar (Schubkarre) oder sogar als Unnerbücks (Unterhose) mitlaufen musste – zur großen Freude der Zuschauer.

Währenddessen singen die Kreisteilnehmer gemeinsam mit dem Chor die Zeilen: „Nu giff dem Buer…“, worauf der Bauer mit seiner Antwort „Dat is min läiwe…“ reagiert. Mit einem Reisigbesen zeigt er schließlich auf seine nächste Wahl und sorgt damit für großes Gelächter und noch mehr Spaß im Kreis.

Das Spiel für die Kleinsten

Die älteren Kinder und die Erwachsenen bilden den Kreis und gehen zur Musik im Uhrzeigersinn. Sie bilden das Taubenhaus. Die kleinsten sind die Täubchen.

Mit Beginn der Musik hebt der Kreis die Arme und die Täubchen können aus dem Haus ausfliegen und laufen um und im Kreis umher.

Mit dem Ruku! Ruku! senkt und hebt der Kreis die Arme und verschließt damit den Zugang zum Haus. Am Ende des Liedes bleiben die Arme unten und es sollte kein Täubchen mehr draußen sein…

Ein Lied mit Märchencharakter

Ein hübsches aber armes, waises Mädchen namens Schönhannchen muss selbst bei Kälte bis abends arbeiten, um für ihr Leben zu sorgen. Doch da kommt plötzlich ein junger, schöner Mann vorbei und nimmt sie mit auf sein Schloss. Von da an lebt sie in wohlhabenden Verhältnissen.

Aus dem Kreis werden zuvor ein Mädchen und ein Junge ausgewählt. Sie spielen Schönhannchen und den Ritter.

Schönhannchen hockt sich und lässt den Arm kreisen, das Spinnrad andeutend. Zur 2. Strophen kommt der Ritter und schaut Schönhannchen zu.

Zur 3. Strophe steht Schönhannchen auf und beide gehen Hand in Hand durch den Kreis.

Mit der 4. Strophe bilden beide mit ihren Armen einen Tunnel unter dem der Kreis hindurch schlupfen muss. (wird bei kleinen Kindern spannend…)

Wenn die Musik aufhört zu spielen, senken sie ihre Arme und die „getroffenen“ Kinder sind an der Reihe.

Das Heiratslied

Hat der Bauer sein gesichertes Einkommen, kann er sich eine Frau suchen und eine Familie gründen.

Aus dem Kreis wird ein Junge als Bauer erkoren.  Bei der 2. Strophe wählt er sich ein Mädchen aus dem Kreis als Frau. Beide hocken sich auf den Boden, nehmen sich dann an die Hand und stehen wieder auf.

Beim nächsten Spiel ist das Mädchen die Bäuerin und sucht sich einen Mann…

Das Geburtstagslied

Aus dem sich drehenden Kreis treten die jeweiligen Geburtstagskinder des gesungenen Monats in die Mitte. Dazu drehen sie sich tanzend um die eigene Achse.

Das Oelder Lied

wurde von Arnold Menne (1880-1953), dem ehemaligen Dorflehrer, Heimatdichter und Kirchenmusiker an St. Johannes,  geschrieben und komponiert. Leider wird es viel zu wenig gesungen und ist somit den jüngeren Generationen vollkommen unbekannt.

Volkslied für die Abendstunden

Volkslied für die Abendstunden

Das Bandwurmlied

mit – für einen ökumenischen Pfingstenkranz – doch recht katholischem Charakter.

Nach zahlreichen Vergleichen von unterschiedlichen, handschriftlich übertragenen Noten haben wir dieses Lied in eine heute typische Notation gebracht.

 

 

 

 

 

 

Auf der Homepage des Heimatvereins Oelde stießen wir auf eine sehr kluge Erläutertung von Hans Rochol, ehemaliger Vorsitzender des Heimatvereins Oelde. Wir haben seinen Text etwas strukturiert und umformuliert:

Guter Freund, ich frage dir – so beginnt ein Lied, das auf ein altes jüdisches Passahlied zurückgeht. Dieses ursprüngliche Lied heißt „Eins, wer weiß es?“ und richtet sich vor allem an Kinder. Es fängt so an:
„Eins, wer weiß es? / Eins, ich weiß es! / Eins ist unser Gott im Himmel und auf Erden.“

In jeder weiteren Strophe wird eine neue Zahl eingeführt, mit der ein Stück jüdischen Glaubens oder Wissens verbunden ist. Das christliche Lied „Guter Freund, ich frage dir“ scheint sich an diesem Vorbild zu orientieren.

Auffällig ist, dass im Titel des Liedes „dir“ statt „dich“ verwendet wird. Das liegt daran, dass im westfälischen Plattdeutsch oft nicht streng zwischen Dativ und Akkusativ unterschieden wird. Interessanterweise ist diese Ausdrucksweise sogar bei Goethe zu finden – in seinem „Faust“ ruft der Geist aus der Flamme: „Wer ruft mir?“, also ebenfalls im Dativ. Heute würde man eher sagen: „Wer ruft mich?“ – ein sprachlicher Wandel, der sich seit Goethes Zeit vollzogen hat.

Das Lied selbst ist ein Frage-Antwort-Spiel zwischen einem „guten“ und einem „besten“ Freund. Die Kinder übernehmen den Antwortpart – ähnlich wie früher im kirchlichen Unterricht.
Beispiel:
Guter Freund: „Ich frage dir!“
Bester Freund: „Was frägst du mir?“
Guter Freund: „Sag mal, was ist eine?“
Kinderchor: „Einmal eins ist Gott allein, der da lebt, der da schwebt im Himmel und auf Erden.“

Diese erste Strophe stimmt mit der des jüdischen Originals überein.

Das Lied zählt dann in jeder Strophe weiter:

  • 2: Die beiden Tafeln mit den Zehn Geboten (in beiden Religionen).

  • 3: Die Erzväter Abraham, Isaak und Jakob (jüdisch und christlich).

  • 4: Die vier Evangelisten (christlich); im Judentum eher die vier Mütter: Sara, Rebekka, Rahel und Lea.

  • 5: Die fünf Kirchengebote (katholisch) bzw. die fünf Bücher Mose (jüdisch).

  • 6: Die sechs Krüge Wein bei der Hochzeit zu Kana (christlich); im Judentum: die sechs Ordnungen der Mischna.

  • 7: Die sieben Sakramente (katholisch); im Judentum: die sieben Wochentage.

  • 8: Die acht Seligkeiten (christlich); im Judentum: acht Tage bis zur Beschneidung.

  • 9: Neun Chöre der Engel (christlich); neun Schwangerschaftsmonate (jüdisch).

  • 10: Die Zehn Gebote (in beiden Religionen).

  • 11: Im jüdischen Lied: die elf Sterne in Josephs Traum. In der Oelder Version: 11.000 Märtyrer (möglicherweise eine Anspielung auf die heilige Ursula).

  • 12: Zwölf Apostel Jesu (christlich) bzw. die zwölf Stämme Israels (jüdisch).

  • 13: Im jüdischen Lied: die Eigenschaften Gottes. In Oelde: 13 alte Weiber.

Fazit:
Die Strophen 1, 2, 3 und 10 haben in beiden Religionen gemeinsame Grundlagen. Die 5. und 7. Strophe hingegen sind typisch katholisch – denn die evangelische Kirche kennt weder Kirchengebote noch sieben Sakramente. Möglicherweise wurde das Lied in seiner heutigen Form während der Gegenreformation geprägt.

Die Zahl 11 ist besonders interessant:
Während das jüdische Lied biblisch bleibt (Josephs Traum), nennt das Oelder Lied die 11.000 Märtyrer, obwohl die Legende eigentlich nur von 10.000 spricht. Vielleicht bezieht sich das Lied hier auf die heilige Ursula, die mit 11.000 Gefährtinnen in Köln gestorben sein soll – obwohl manche Quellen von nur elf Frauen sprechen. Die Münsteraner Version wiederum nennt elf törichte Jungfrauen – allerdings waren es laut Bibel nur fünf (Matthäus 25,1–13).